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WEIHNACHTEN KOMMT IMMER SO PLÖTZLICH 

Editorial

WEIHNACHTEN KOMMT IMMER SO PLÖTZLICH 

WEIHNACHTEN KOMMT IMMER SO PLÖTZLICH 

SPEKULATIUS IM HOCHSOMMER…

Es gibt Dinge, auf die ist Verlass: Der April macht, was er will. Im Sommer regnet es, meistens wenn ein großes Open Air angesagt ist. Und Weihnachten – nun ja – Weihnachten kommt immer so plötzlich. Kaum blättert man das Kalenderblatt des Septembers um, stolpert man beim Wocheneinkauf über die ersten Lebkuchenberge. Neben der Restposten-Sonnenmilch stehen plötzlich Nikoläuse aus Schokolade, die aussehen, als hätten sie den Hochsommer nur mit Mühe überlebt. Während draußen noch das Thermometer die 25-Grad-Marke ankratzt, rascheln im Supermarktregal schon Adventskalender, als müsse man dringend in Geschenkepanik verfallen.

Früher, so wird immer erzählt, war das anders. Da begann die Adventszeit tatsächlich im Advent. Am ersten Dezember öffnete man das erste Türchen – und nicht schon im Oktober die zweite Packung Spekulatius. Heute könnte man meinen, der Adventskalender müsste mindestens 100 Türchen haben, um die gefühlte Vorweihnachtszeit von Ende August bis Heiligabend abzudecken. Eine logistische Herausforderung, aber vielleicht ein Geschäftsmodell der Zukunft.

Natürlich, wir könnten uns darüber ärgern: über die Konsumwelle, über die endlose Dauerschleife von „Jingle Bells“ und „Last Christmas“ schon im November, über Lichterketten, die angehen, wenn die Sommerreifen noch gar nicht eingelagert sind. Aber Hand aufs Herz: Würden wir es wirklich anders haben wollen? Irgendwie gehört es doch inzwischen dazu, dass die erste Begegnung mit einem Schoko-Nikolaus uns mitten aus der Spätsommerträgheit reißt. Es ist wie ein ironischer Hinweis: Achtung, Endspurt! Bald ist schon wieder alles vorbei.

Vielleicht lohnt es sich aber, Weihnachten ein Stück weit zurückzuerobern. Nicht, indem wir die Supermarktregale boykottieren – das wäre ohnehin aussichtslos –, sondern indem wir uns bewusst Zeitinseln schaffen. Ein Glühwein auf dem Markt, ein Spaziergang durch die Stadt im Lichterglanz, ein Gespräch, das nicht zwischen Einkaufslisten und Geschenke-Planung stattfindet. Das sind die Momente, die auch dann noch bleiben, wenn der Schoko-Nikolaus längst gegessen und die letzte Lichterkette wieder eingemottet ist.

Denn Weihnachten kommt zwar immer plötzlich, aber es kommt zuverlässig. Und vielleicht ist es genau diese Mischung aus allzu früher Vorfreude und echter Sehnsucht, die den Zauber am Ende doch noch rettet. Also nehmen wir es mit Humor – und vielleicht mit einem zusätzlichen Keks aus der Packung, die wir ja sowieso schon viel zu früh gekauft haben.

In diesem Sinne: Macht das das Beste aus einer Adventszeit, die manchmal länger ist als der Sommer. Und lasst Weihnachten dieses Jahr einfach so kommen, wie es kommt – plötzlich, aber nicht unbemerkt.

Herzlichst, wo immer Ihr seid

Elke Siedentopf & Dirk Sork

(Foto: Sven Schulze)

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